Was haben ein deutscher Internist, ein amerikanischer Chiropraktiker (in den USA haben Chiropraktiker tatsächlich einen medizinischen Abschluss) und ein Neurobiologe, Professor in Stanford, gemeinsam? Nein, auch wenn die Antwort richtig wäre, alle drei haben YouTube-Kanäle mit einem Millionenpublikum. Und was haben sie noch gemeinsam? Genau, sie verkaufen eigene Produkte.
Followerzahlen und persönliche Interessen?
Dr. med. Tobias Weigl hat 1,2 Millionen Follower – für einen deutschen Medizinkanal eine beachtliche Zahl. Logisch, mit solchen Zahlen kann man auch etwas verdienen, so hat auch Dr. Weigl einen Shop. Anders als die zwei anderen genannten YouTuber handelt es sich allerdings um Medizinratgeber. Damit können wir die Frage nach einem Interessenskonflikt sicherlich verneinen. Damit wird niemand reich und die Hypothek lässt sich damit auch nicht bezahlen. Ganz anders sieht es allerdings bei seinen Kollegen aus Übersee aus.
Der US-Chiropraktiker ist Eric Berg mit 13,3 Millionen Followern. Seine Spezialität ist simpel – Keto-Diät und alles rund um diese Diätform. Diese Follower sind nur die englischsprachigen Follower, tatsächlich gibt es auch YouTube-Channels mit sauberen gesprochenen Übersetzungen in anderen Sprachen. Diese machen natürlich auch noch ein paar Millionen Follower aus. Bei Berg im Shop gibt es sprichwörtlich nichts, was es nicht gibt. Von Nahrungsergänzungsmitteln bis zu Vitaminen und Trinkpulver für Sportler, bis zu Massagegeräten und Shakern.
Braucht jeder Vitamin B1 oder Multivitamine? Die Antwort ist simpel „nein“! Wer sich ausgewogen ernährt, bekommt seine Vitamine und Nährstoffe zusammen. Wer ein Vitamin benötigt, sollte sich sein Blutbild ansehen oder mit seinem Arzt sprechen. Diesen Hinweis im Shop findet man jedoch nicht auf den ersten und auch nicht auf den zweiten Blick. Hochdosiert können Vitamine auch schnell mal nach hinten los gehen. Vitamin D im Winter zusätzlich eingenommen, war mal modern – braucht jeder. Allerdings nach Meinung von Influencern. Mittlerweile gibt es Studien, die vor Überdosierung warnen.
Eine Überdosierung ist möglich und eine Überdosierung ist toxisch. Dabei sprechen wir nicht von natürlichem Vitamin D über Fisch, Algen und der Sonne aufgenommen, sondern von Vitamin D als Nahrungsergänzungsmittel.
Der Neurobiologe und Professor an der Universität in Stanford ist Andrew Huberman mit 6,8 Millionen Followern. Anders als Weigl oder Berg ist Huberman breiter aufgestellt. Huberman beleuchtet unter anderem News und neue Studien aus unterschiedlichen Bereichen der Wissenschaft. Vom niedlichen Genwolf bis zur Krebsimpfung. Kurz, aktuelle wissenschaftliche News an ein breiteres Zielpublikum. Auf den ersten Blick scheint bei Huberman kein Interessenskonflikt vorzuliegen: In seinem Shop gibt es T-Shirts. Wer aber Google etwas anders abfragt, der kommt auf eine Herstellerseite von Nahrungsergänzungsmitteln, wo Huberman eine lange Liste seiner täglichen Nahrungsergänzungsmittel veröffentlicht.
Unglaublich, was der gute Professor angeblich nicht alles runter schluckt! Als Neurobiologe weiß er sicherlich nicht, dass ein grüner Salat mit Lachsfilet zum Mittagessen auch reichen würde.
Weigl macht es richtig – er weist immer darauf hin, dass man sich nicht selbst therapieren soll. Während Berg einfach Supplemente anbietet, suggeriert Huberman, dass er und du nicht ohne leben könnt! Wie haben wir es nur von der Höhle bis vor unsere Computer geschafft? Wir müssten schon längst ausgestorben sein.
Gerade bei Huberman steht die Frage nach einem eventuellen Interessenskonflikt wohl kaum zur Frage. Er gilt als wissenschaftlicher Influencer insbesondere bei einem jüngeren Publikum im englischen Sprachraum als angesagt. Er verspricht dank seiner täglichen Spurenelemente einem Millionenpublikum auch noch ein Six-Pack – ganz ohne Nachhilfe durch moderne Bildbearbeitung. Bei Huberman hat es ohne nicht so gut geklappt – seine Bilder sind deutlich bearbeitet worden.
Die Grenze zwischen „Avocadoöl ist gesund“ (was niemand in Abrede stellt) und „mein Avocadoöl ist besser als andere“, ist dünn. Ob Weigl nicht zufällig und unfreiwillig Hypochonder bedient, lassen wir dahin gestellt. Ein direkter Interessenskonflikt ist da nicht vorhanden, und als Arzt kennt er dieses Problem vermutlich. Keto-Diät ist auch nicht für jeden geeignet. Aber beiden YouTubern kann man keinen Interessenskonflikt vorwerfen.
Fazit – es gibt sehr interessante wissenschaftliche YouTube-Kanäle unterschiedlicher Qualität und mit unterschiedlichem Zielpublikum. Aber auch bei einem Professorentitel sollte man kritisches Denken nicht ausschalten.
Bildquelle: rainer sturm pixelio de
Quellennachweis: Dr. Weigel