Das umstrittene Biotechunternehmen 23andme hat Insolvenz angemeldet. 15 Millionen Kunden fragen sich nun zurecht, was mit ihren Daten passiert. Das 2006 gegründete Unternehmen bot Gen-Tests für Privatkunden an.
Teströhrchen bestellen, etwas Spucke und ab zurück ins Labor. Allerdings haben Wissenschaftler von Anfang an vor diesem Test gewarnt.

Was gegen diese Art Gentest spricht, wollen wir uns etwas genauer ansehen.

Was spricht gegen Gen-Tests für Privatpersonen?

Der Mensch besitzt zwischen 20.000 bis 25.000 Gene. Die Anzahl gibt auch schon die mathematisch möglichen Kombinationen an. Aber die einzelnen Gene sind dann wiederum in SNPs (Single Nucleotide) aufgeschlossen. Nie ist bei einem Menschen nur ein Gen an etwa einer Unverträglichkeit oder einer Erbkrankheit beteiligt. Es ist immer eine Kombination unterschiedlicher Gene auf einem unterschiedlichen Abschnitt der DNA.

Bereits 2018 wurden die Resultate ad absurdum geführt, als ein Wissenschaftler kurzerhand die DNA seines Labradors einschickte und das Unternehmen Orig3n hat die Gene für die eines Menschen gehalten und entsprechend ausgewertet.

Nehmen wir an, der Kunde ist absolut gesund und bekommt nun einen Gentest, in dem ihm die Neigung zu einer seltenen Erbkrankheit attestiert wird. Ist der Kunde psychologisch empfindlich, kann nun eine ganze Welt zusammenfallen, ohne dass es wirklich einen Grund gibt.

Einmal eine Probe abgegeben, gehört deine DNA nun dem Unternehmen. Manche Unternehmen, darunter auch 23andme, sind Verträge mit Pharmakonzernen eingegangen. 300 Millionen Dollar hat 23andme von dem Unternehmen GlaxoSmithKline für seine Datenbank bekommen.

Und jede Datenbank ist anfällig, früher oder später auch gehackt zu werden.

Wichtig zu wissen – rund 99 Prozent unseres Genoms ist gleich, wir unterscheiden uns also in einem Prozent! Die Unterschiede heißen Single Nucleotide Polymorphisms (SNPs). Sie machen ca. 90 % der genetischen Unterschiede (MTX29) zwischen Menschen aus. Und Firmen, die Gentests verkaufen, schauen sich nicht das gesamte Genom an, dies wäre viel zu teuer. Sondern eben nur einzelne Kombinationen. Manche einzelne Eigenschaften eines Menschen haben bis zu 800 Kombinationen und führen mit einer prozentualen Wahrscheinlichkeit zum Beispiel dazu, ob jemand zur Eifersucht oder Lampenfieber neigt.
Ob jemand aber diese Neigungen auch zeigt, hängt zusätzlich von psychologischen und kulturellen Faktoren ab. Der Anbieter 23andme hat selbst seine Datenlage als spekulativ bezeichnet, mit einer Fehlerquote von rund 50 Prozent. Solche Gentest-Aussagen sind also so exakt wie Astrologie oder Kartenlegen.

Wollen Eltern ein Kind zeugen, wird ein Arzt ganz konkrete Gene testen lassen und zwar anhand der Familiengeschichte beider Eltern. Natürlich ist es ratsam, einen Arzt zu konsultieren, wenn man weiß, dass einer der zukünftigen Eltern Erbkrankheiten in der Familie hat – aber eben gezielt und mit medizinischer Unterstützung. Und genauso konkret kann sich jeder Mensch selbst ein Bild für bestimmte Gesundheitsrisiken machen. Wer eine Ahnung hat, an welchen Krankheiten die letzten zwei bis drei Generationen vor ihm starben, hat zum Nulltarif schon eine Ahnung, worauf er mit steigendem Alter achten sollte. Mehr noch, das Resultat solcher Überlegungen wird sich nicht morgen im Internet wiederfinden und keine Versicherung kann deswegen für einen konkreten Menschen die Beiträge erhöhen. Zudem, wenn der Opa und der Uropa an Herzinfarkt gestorben sind, heißt dies für den Enkel einfach vorbeugen – was er aber ohnehin tun sollte. Also weniger Cola und Chips futtern, dafür sich viel bewegen und Salat essen. Nicht die Gene „zwingen“, sondern die eigene Lebensweise.

Warum geht 23andme insolvent?

Im Oktober 2023 wurden im DarkNet Kundendaten von 23andme angeboten. Angeblich wurden die Kunden und nicht das Unternehmen gehackt. Man kam einfach an die Zugangsdaten für das Login der einzelnen Kunden.

Im Herbst 2024 trat der Vorstand zurück und am 23. März erklärte sich das Unternehmen für insolvent.

 

Bildquelle: matchka pixelio.de

 

Quellennachweis:

23andme 

NZZ